Wie die NZZ am Sonntag berichtete, planen Schweizer Hochschulen eine grosse KI-Initiative um bei der Entwicklung der künstlichen Intelligenz an der Weltspitze mitzumischen. Den Wissenschaftler hilft dabei ein glücklicher Umstand: Nächstens geht in Lugano der neue Schweizer Supercomputer in Betrieb.
Der bisherige Hochleistungsrechner am Swiss National Supercomputing Centre (CSCS) in Lugano, der «Piz Daint» wird ausgemustert und dem neuen Supercomputer ALPS weichen.
Am CSCS steht seit den 1990er Jahren der Schweizer «Supercomputer». Einer breiten Öffentlichkeit ist das nicht bekannt, da nur Forscher dessen Rechenleistung beanspruchen können. Aber vielleicht ändert sich das in den kommenden Wochen. Dann werden die Schweizer Hochschulen etwas tun, was sie praktisch nie machen: eine gemeinsame Initiative ausrufen. Sie wollen am CSCS zusammen an künstlicher Intelligenz forschen, und zwar auf Champions-League-Niveau – auch wenn sie sich über die Details derzeit noch ausschweigen.
Möglich macht dies «Alps», ein besonders leistungsfähiger Supercomputer, der Anfang nächstes Jahr in Betrieb genommen wird. Er ist technisch vergleichbar mit den besten Rechnern von AWS (Amazon), Microsoft oder Google, auf denen die grossen Sprachmodelle (Large Language Models oder LLM) wie etwa Chat-GPT laufen.
«Wir haben Glück: Das CSCS erneuert ihren Supercomputer alle paar Jahre. Die Grafikprozessoren, die nun geliefert werden, bestellte es bereits, bevor der Hype um Chat-GPT losging», sagt Martin Jaggi, der bei der ETH Lausanne ein Labor für Machine Learning leitet. Würde man diese Prozessoren heute kaufen, käme die Rechnung vielleicht fünfmal teurer.
«Dazu kommt, dass wir mehrere Jahre auf die Lieferung warten müssten. Dieses Problem haben jetzt verschiedene Länder wie etwa Grossbritannien», sagt Jaggi. Mit anderen Worten: Selbst wer über das nötige Kleingeld verfügt, kann heute nicht einfach so ins globale KI-Wettrüsten einsteigen. Alles steht und fällt mit den Lieferzeiten des Lieferanten Nvidia.
Diesen Trumpf, den die Schweiz auch ihren konstanten Investitionen in die Forschungsinfrastruktur verdankt, möchten die Hochschulen von der ersten Minute an ausspielen. «Um Alps für KI zu nutzen, wollen ETH, EPFL und weitere Schweizer Hochschulen und Forschungsinstitute zusammenarbeiten. Wichtig ist uns, sofort loszulegen, wenn Alps Anfang nächstes Jahr in Betrieb geht», sagt Andreas Krause.
Der Informatik-Professor ist Vorsteher des ETH AI Center. Seit Ende Oktober fungiert Krause zudem als Experte eines globalen KI-Beratungsgremiums der Vereinten Nationen. «Wir haben eine vielleicht einmalige Chance, an der Weltspitze mitzuspielen. Die wollen wir unbedingt nutzen», sagt er mit Nachdruck.